Karibikfeeling, Merengue und Piña Colada – das sind die ersten Assoziationen zum Urlaubsparadies Dominikanische Republik.
Daneben ist das Land aber auch ein Ort mit vielen Sorgen und Problemen, denen sich tagtäglich viele Freiwilligenhelfer aus aller Welt widmen. Wir begleiten eine Deutsche bei ihrer Freiwilligenarbeit auf der Halbinsel Samaná.
Wir sitzen auf einer der bunten Bänke an Samanás Malecón. Der Atlantik schwappt ans Ufer, aus kleinen Buden werden Pizza und Mojito verkauft – vor allem abends ist die Promenade mit Leben und lauter Musik gefüllt. Dann kommen die Einheimischen hierher, um lauthals Karaoke zu singen, zu feiern und zu tanzen.
Selbst hat sich Tabea das Mikro bisher noch nicht geschnappt – aber auch sie kommt nach Feierabend regelmäßig an den Malecón, um mit ihren Freunden den Tag ausklingen zu lassen. Dieses Ritual gehört zu ihrem neuen Leben in der Dominikanischen Republik. Gemeinsam mit rund einem Dutzend weiterer Volunteers aus Deutschland lebt sie für ein Jahr in Samaná.
Der Anfang sei gar nicht so leicht gewesen: „Es ist hier eigentlich immer laut, daran musste ich mich erst gewöhnen“, erzählt Tabea. Und auch die Tatsache, dass sie eine große, blonde Frau ist, sei durchaus eine Herausforderung. „Wenn nicht gerade ein Kreuzfahrtschiff vor Anker liegt, sind wir hier die einzigen Europäer weit und breit – klar fallen wir auf.“ Aber inzwischen kennt man sie hier und weiß, dass sie keine Ausflugstour buchen und keinen Sonnenhut von einem der fliegenden Händler kaufen will.
Auch an das heiße und schwüle Klima ist Tabea inzwischen angepasst: „Vor kurzem gab es einen Moment, in dem ich meine Jacke angezogen habe, weil ich es abends etwas frisch fand. Dann habe ich aufs Thermometer geschaut – es waren noch 27 Grad.“
Durch die kleine Schule, in der Tabea täglich arbeitet, weht fast immer eine angenehme Brise. Die Tür ist die meiste Zeit offen, die Fensteröffnungen im hinteren Bereich bestehen lediglich aus Gittern. Jeden Nachmittag kommen Kinder und Erwachsene mit geistigen und körperlichen Einschränkungen oder speziellen Lernschwächen hierher, um gefördert zu werden. Die Altersspanne reicht von fünf bis 30 Jahren.
Da ist zum Beispiel die zehnjährige Yanett, die wegen eines Hörfehlers Probleme mit dem Sprechen hat. Raimin ist elf und braucht Unterstützung beim Lesen und Schreiben. Shadely ist acht, geistig behindert und – vermutlich wegen unzureichender Förderung im eigenen Umfeld – noch auf dem Level einer Zweijährigen.
Man spürt sofort, wie viel Spaß den Kindern der Unterricht macht und dass in diesem Raum etwas Wertvolles passiert. „Das Thema Behinderung ist in der Dominikanischen Republik eher ein Tabu“, sagt Tabea. „Viele Eltern schämen sich für ihre Kinder oder fühlen sich hilflos, weil sie nicht wissen, wie sie sie angemessen fördern sollen.“ Das soll diese Einrichtung des Vereins Aldeas de Paz ändern. Sie ist auf der Halbinsel Samaná einmalig.
Ins Leben gerufen wurde der Verein von Manfred Mönninghoff. Der Deutsche war zuvor fünfzehn Jahre lang in der Kinder- und Behindertenbetreuung in Venezuela tätig, bevor er in die Dominikanische Republik umsiedelte. Hier fing er bei Null an. Den lokalen Behörden gefiel sein Vorhaben und Manfred bekam das leerstehende Haus in Samanás Zentrum kostenfrei gestellt. Mund-zu-Mund-Propaganda, das Verteilen von Flyern und ein Beitrag im Fernsehen sorgten für Aufmerksamkeit, sodass heute rund 30 Schüler bei dem kostenlosen Unterrichtsangebot von Aldeas de Paz angemeldet sind.
„Viele kommen regelmäßig“, erzählt Tabea. „Aber es gibt auch Tage, an denen wir hier alleine sitzen. Wenn es regnet, kommt zum Beispiel niemand.“ Überhaupt habe Verbindlichkeit hier scheinbar keinen allzu großen Stellenwert. „Das macht es manchmal etwas schwer, kontinuierlich mit den Kindern an einem Projekt zu arbeiten.“
Es gibt verschiedene Tätigkeitsfelder, in denen die Freiwilligen arbeiten können – vier Bereiche werden je in Zweierteams besetzt: Schule, Krankenhaus, Social Media und NGO-Management. Neben seinen festen Aufgaben hat aber jeder Volunteer in der Regel genügend Zeit, um zum Beispiel seine Spanischkenntnisse zu verbessern oder um sich um Alltagsdinge wie Einkaufen und Wäschewaschen zu kümmern. Tabea geht abends gerne am Malecón joggen oder eine Runde im Meer schwimmen.
„Das Tolle ist, dass wir genügend Freiraum haben, um auch eigene Projekte zu entwickeln, die wir im Laufe unseres Freiwilligenjahres realisieren wollen“, sagt Tabea. So ein Projekt steht auch an diesem Tag an – eines, das beim Blick auf die Strände der Umgebung eine enorme Wichtigkeit hat.
Es sind sicherlich nur kleine Schritte, die die Freiwilligen mit solchen Aktionen bewirken – aber es sind welche. Vor kurzem war Tabea mit einigen Schülern am Ufer, um Müll zu sammeln. Die 18jährige aus Köln hofft, dass sie damit kleine Zeichen setzen kann – vielleicht setzt sich so langsam ein Prozess in Bewegung, der irgendwann eine grundsätzliche Veränderung des Bewusstseins zur Folge hat. Stück für Stück.
Genauso hofft sie, dass sie ihren Kindern in der Behindertenschule eine gesunde Förderung bieten und eine glückliche Zeit bescheren kann. Das scheint sehr gut zu funktionieren und ist für Tabea die schönste Bestätigung:
Infos zum Freiwilligendienst in der Dominikanischen Republik gibt es auf verschiedenen Websites: Aldeas de Paz wird in Deutschland zum Beispiel von der Vermittlungsagentur Studentsgoabroad vertreten. Seit 2016 ist der lokale Verein auch Teil von Weltwärts, dem Programm für Freiwilligendienst der Bundesrepublik Deutschland.
Samaná ist eine Halbinsel im Nordosten der Dominikanischen Republik. An ihrer Nordseite befinden sich zahlreiche Traumstrände - zum Beispiel rund um Las Terrenas. Im Süden liegt die Provinzhauptstadt Santa Barbara de Samaná am Ufer der Bucht von Samaná, in der sich jedes Jahr zwischen Januar und März Buckelwale zur Paarung tummeln.