Es ist nur ein Augenblick, zwanzig Sekunden lang oder vielleicht auch drei Minuten, dann ist alles vorbei bis zum nächsten Abend. Wer gerade in der Stadt unterwegs ist, verpasst diesen Augenblick wahrscheinlich, zu dick sind die Mauern, zu schmal die Gassen, zu eng und verschachtelt stapeln sich die Gebäude den Hügel hinauf. Von der anderen Seite der Brücke aber, vom westlichen Ufer des Mondego – von dort kann man diesen Moment nicht übersehen. Jogger unterbrechen ihr Training, Gassigeher ihr Stöckchenwerfen, jeder bleibt stehen, jeder hält inne, jeder schaut hinüber zur Stadt, die soeben zu leuchten beginnt. Zuerst in den oberen Straßen, dann allmählich auch weiter unten – als werde eine Ladung flüssiges Gold über Mauern und Türme ausgeschüttet, so sieht das aus. Für kurze Zeit scheint alles zu glühen, als käme das Leuchten von innen heraus. Dann verblasst das Gold. Kurz darauf liegt Coimbra in der anbrechenden Dämmerung wie jede andere Stadt Portugals.
Coimbra wird von seiner Universität geprägt: Von den 100.000 Einwohnern sind 20.000 Studenten. Und die haben natürlich einen ziemlichen Einfluss auf das Leben. In Coimbra gibt es mehr Szene-Kneipen und Second-Hand-Läden und Avantgardebühnen als in anderen Städten Portugals. Und - am Hang hinauf zur Cidade Universitaria - ziemlich viele alte Gebäude, die von studentischen WGs in Beschlag genommen worden sind.
Diese steilen Wohnlagen sind übrigens der beste Ort, um sich der Stadt zu nähern, die sich von außen so majestätisch gibt. Zu Blumentöpfen veredelte Olivenölkanister stehen anarchisch ungeordnet auf der Gasse, zwischen den Pflastersteinen sprießt Gras, aus geöffneten Küchenfenstern kommt der Duft von Kartoffeln und Sardinen, die Katzen unter den Fenstern maunzen hungrig.
Man kann sich hier schnell verzetteln und in einem der kleinen Cafés hängen bleiben. Die Zeit sollte man dabei allerdings nicht aus den Augen verlieren. Wenn die Sonne sinkt, muss man allmählich hinunter zum Fluss. Und auf die andere Seite. Um zusehen zu können, wie Coimbra in Gold getaucht wird.
Die Universitätsstadt Coimbra liegt am Rio Mondego, etwa 150 Kilometer südlich von Porto. 2003 war sie Kulturhauptstadt. Leicht zu erreichen ist Coimbra auch mit dem Zug: Die Eisenbahnstrecke von Porto nach Lissabon (Linha do Norte) führt direkt vorbei.