Es gluckert und gluckst, gurgelt und schmatzt unter den dicken Moosteppichen im Wald, als ich an diesem Nachmittag mit Sebastian Erle dem Moor auf der Spur bin. Eigentlich haben wir es ja längst gefunden, denn es ist genau unter uns, „wie ein sieben Meter dicker Schwamm“, beschreibt Erle den schwarzen Schatz und zeigt dann geradewegs auf meine Füße. Hier, wo der lichte Wald bereits den Blick freigibt auf den Soier See, quillt ein kleiner Bach aus dem grünen Boden, taucht unter dem Seeuferweg hindurch, um dann in den See zu plätschern, der wie ein türkisfarbenes Auge inmitten der sanften Hügellandschaft des Ammergauer Moors aussieht. Ein einsamer Kormoran zieht seine Bahn durch das spiegelglatte Wasser, wie in Zeitlupe gleiten die kleinen Wellen dem Ufer entgegen.
Was ich auf dem liebevoll gestalteten Moorlehrpfad und von dessen Mit-Initiator Sebastian Erle bislang gelernt habe: Das Moor ist Lebensraum für seltene Pflanzen, entstand nach dem Rückzug der eiszeitlichen Gletscher aus dem Alpenvorland, es speichert CO2 und bietet durch die Schwammwirkung der Moose auch Schutz vor Hochwasser.
Das Moor rund um Bad Kohlgrub und Bad Bayersoien südwestlich des Starnberger Sees ist eine Bilderbuchlandschaft, wie sie ein Landschaftsarchitekt nicht besser hätte ersinnen können. Oft sind die Hügel gekrönt von knorrigen alten Bäumen, aus den Tallagen spitzen die typischen Zwiebeltürmchen der Kirchen hervor. Nach Süden zacken die schneebedeckten Felsspitzen der Alpen in den Himmel, die wie eine gigantische Mauer wirken, an deren Fuß Kühe lustig bimmelnd das letzte Gras von den Bergwiesen zupfen. Und überall unter dem weichen Boden, da wächst das Moor. „Diese Landschaft ist einzigartig in Oberbayern“, erklärt Erle, der direkt am Soier See eine kleine, idyllische Pension betreibt. „Hier haben auch seltene Spezies wie Spirken – eine Kiefernart –, dazu Torfmoose und sogar fleischfressende Pflanzen ihren perfekten Lebensraum gefunden.“
Dass der Torf bis vor ein paar Jahrzehnten noch zum Heizen verwendet wurde und bis heute als heilsames Moorbad in die großen Holzzuber der Hotel-Spas wandert, darüber informiert ein weiterer Stopp am Moorlehrpfad. Was dem Torf so alles zugeschrieben wird! Sogar Babys kann er machen. Nun, nicht ganz, aber bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, bei denen die schulmedizinische Behandlung nicht gefruchtet hat, soll eine Moortherapie eine Schwangerschaft begünstigen. Die speziellen Wirkstoffe des Moors durchdringen die Haut und lösen eine Ausschüttung von körpereigenen Hormonen aus. Seine Säuren sollen zudem unzählige Beschwerden lindern, von Arthrose über Gicht bis hin zu Stress und Wechseljahrsbeschwerden.
Am Ende des Weges darf man dann in ein Glaskästchen greifen und mit der Hand das Moor erspüren, während am Seeufer das große Moortretbecken dazu einlädt, die Hosen hochzukrempeln und bis zu den Knien durch die „schwarzen Daunen“ zu waten, wie die Ammergauer ihr beliebtes Heilmittel nennen. Mit Sebastian Erle bin ich derweil weiter unterwegs zu einem Torfstich. Die Hotels, die Moorbäder anbieten, haben in den Moorgebieten ihre eigenen, kleinen Abbaustellen und dürfen den Torf streng reglementiert stechen. Aufgespießt auf langen Holzstangen trocknen die Torfquader in der Sonne. Um den Rohstoff nicht zu verschwenden, wird das kostbare Naturprodukt recycelt und nach der Kuranwendung zurück ins Moor gebracht. „In fünf bis zehn Jahren ist die Landschaft dann wieder so, als hätte es nie Menschen mit Lust auf Wellness gegeben“, so Erle.
Auf beschilderten Pfaden kann man tagelang im Moor unterwegs sein. Rund um Bad Kohlgrub und Bad Bayersoien gibt es mehr als 100 Kilometer Wanderwege. Und wer will, für den geht’s am Nachmittag wieder ins Moor – beim Torfbad in der heißen Wanne!
Zu einem Urlaub im Moor gehören Gastgeber, die auch Moorbäder anbieten. Bitte einsteigen: Es gibt nichts Schöneres, als nach einem Tag an der frischen Luft in die Wanne mit bis zu 43 Grad warmem Bergkiefer-Hochmoor einzutauchen. Wie sich das anfühlt? Wie eingekuschelt in eine Decke aus schwarzen Daunen! Übernachtungspreise, je nach Häuserkategorie, zwischen 50 und 200 Euro für das Doppelzimmer, Moorbäder ab 30 Euro. Infos unter www.ammergauer-alpen.de
Das Ammergauer Moor liegt zwischen Bad Kohlgrub und Bad Bayersoien im oberbayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Es gehört zu den bestuntersuchten Torfen weltweit.