Kletterpartien im Fels und liebliche Wanderwege: Wir sind rund um Bad Hindelang zu Wasserfällen, hochalpinen Logenplätzen und kunterbunten Blumenwiesen unterwegs.
An Tagen wie diesem, wenn nach einem nächtlichen Gewitter die Wolken nicht am Himmel hängen, sondern aus dem Tal die Allgäuer Berge empordampfen, weiß man, wie das Nebelhorn zu seinem Namen kam. Erst kurz vor der Gipfelstation steigt die Seilbahn aus der Wolkendecke empor. Während Oberstdorf und die Wälder und Almwiesen tief unten noch wie in Watte gepackt sind, bohren sich hier oben die Felszacken in den blauen Himmel, am Horizont überragt von der markanten Gipfelpyramide des Hochvogel. Über die Felsgrate der beiden Wengenköpfe und den Gratkopf zieht sich eine der schönsten Fixseil-Routen Deutschlands – der Hindelanger Klettersteig.
Und so klimpern und klackern beim Ausstieg aus der Seilbahn schon die vielen Klettersteig-Sets. Wir lassen zwei Gruppen passieren und schauen uns erst einmal in Ruhe um. Auf den ersten Blick, vom Nebelhorn-Gipfel (2224 Meter) aus, wirkt die Tour ja wie ein Klacks: Der breite Grasrücken des Großen Daumen, Ziel des Klettersteigs und auf fast gleicher Höhe (2280 Meter), scheint zum Greifen nah. Wäre der Grat ein Wanderweg, in einer halben Stunde wäre man da. „Die Tour ist aber alles andere als ein Spaziergang“, weiß Bergführer Patrick Jost, „zwar nicht schwierig, aber gerade zum Ende hin zieht sie sich, mit einigen ungesicherten Kletterpassagen.“
Hier über den Wolken hat man das Gefühl, völlig losgelöst von der Erde unterwegs zu sein. Bis zum ersten Gipfelerlebnis braucht es am Hindelanger Klettersteig nicht lang: Auf dem Westlichen Wengenkopf stehen wir bereits nach einer Stunde. Beim Abstieg schieben Wolken aus Richtung Ostrachtal herauf, kriechen über den Grat und streichen als kühler Nebel über Gesicht und Arme. Wer mag, kann auch eine „Light-Version“ der Tour wählen: Hinter dem Östlichen Wengenkopf zweigt rechts ein Weg ab, der über die Hochfläche des Koblat hinab zur Höfatsblick-Station der Nebelhorn-Bahn führt.
Uns ist bald klar, dass so eine Klettersteig-Tour im hochalpinen Gelände kein Picknick ist und wie alle anderen Bergtouren eine gute Planung erfordert. Dass das längst nicht alle beherzigen, erlebt Patrick Jost immer wieder. „Manche verwechseln Klettersteige mit Eventparks“, so der Bergführer, „und auch eine Gewitterwarnung wird oft unterschätzt.“
Die Schrecken von Blitz und Donner bleiben uns erspart, und so nehmen wir uns am nächsten Tag gleich den nächsten Klettersteig vor. Die Salewa-Tour über Oberjoch hat mehrere Ausstiegs-Varianten, nicht nur deshalb ist die schöne Kletterei unterhalb der Nordflanken von Iseler und Kühgund auch für Anfänger geeignet. Die abwechslungsreiche und gut gesicherte Route ist Bergführer Patrick Jost und seinen Kollegen zu verdanken. „Ziel war es, ein überschaubares Bergerlebnis zu ermöglichen, bei dem es nicht um hohe Schwierigkeitsgrade geht“, erzählt Patrick. Die Aussicht ist großartig: Aus dem steilen Fels heraus kann man wahlweise den Einwohnern vom Bad Hindelanger Ortsteil Oberjoch in den Garten gucken oder weit hinaus ins Alpenvorland.
Nur um ein paar Häuserecken durch Bad Hindelang, am Busbahnhof vorbei, über einen kurzen Wiesenweg und schon verschluckt uns am nächsten Nachmittag der Hirschtobel. Diese Bergschlucht mit ihren Pools, in denen Vögel baden, den hohen Wasserfällen und den Bäumen, die an den Felswänden kleben, könnte dem Buch Herr der Ringe entsprungen sein. Es gluckst und gluckert, zischt und rauscht im Hirschtobel und es ist wunderbar kühl, ideal an warmen Tagen.
Perfekt taugt die Route hinauf aber auch, um sich einen guten Überblick zu verschaffen. Über den steilen Steig, immer hübsch dem wilden Hirschbach folgend, gelangt man auf den Hirschberg, Hausberg von Bad Hindelang und super Aussichtswarte auf den Iseler und die Allgäuer Hauptkette. Richtung Süden blickt man hier fast ausschließlich auf geschützte Berge des Naturschutzgebiets Allgäuer Hochalpen. 80 Prozent der Gemeindefläche Bad Hindelangs ist Landschaft- und Naturschutzgebiet. Kunstdünger ist tabu und einer Kuh steht mindestens ein Hektar Bergwiese zur Verfügung. Wie sowas aussieht? Kunterbunt sieht sowas aus! So eine duftende Vielfalt an Kräutern und Blumen erlebt man sonst kaum noch in Deutschland.
Flower Power gibt es besonders artenreich auch im wilden Bärgündeletal. Zu erschnuppern und bewundern ist das beispielsweise an der Zipfels-Alpe über Hinterstein: Kein Wunder, dass die Alpkühe hier extrem relaxt wirken. Was auch an der Aussicht rund um das kleine Alm-Paradies liegen mag. Nach einem Kuchenstopp an der Almhütte folgen wir einem Weg die Wiesen hinauf und dann den Serpentinen durch ein weites Schotterfeld zum Bschießer-Gipfel. Hier ist die Rundumsicht grandios und je nach Blickrichtung wechselt das Bild der Landschaft dramatisch: Über Bad Hindelang die breiten Hauben der Wanderberge, nach Westen weit hinein das Tannheimer Tal und in Richtung Süden ein Panorama schroffer Felsengebirge.
Ganz dicht dran an den grauen Riesen ist man am Prinz-Luitpold-Haus, das wir am nächsten Morgen vom Giebelhaus im Bärgündeletal aus erreichen. Auf der Hüttenterrasse müssen wir beim Blick zur Fuchskarspitze schon die Köpfe ordentlich in den Nacken legen. Deren mächtige Ostwand und die steile Flanke des Wiedemerkopfs steigen gleich hinter der Hütte in den Allgäuer Himmel und auch die Tour zum Hochvogel (2592 m), dem markantesten Berg der Gegend, startet von hier.
Zugleich sind die Wände gefaltet wie ein riesiger Strudelteig, mit irrwitzigen Mustern und Kurven im Fels – manchmal hat man den Eindruck, die starren Wände könnten jeden Moment einfach so zerfließen. Durch die Wiesen am Fuß der Fuchskarspitze steigen wir hinauf in Richtung Glasfelderkopf. Vom Gipfel aus hat man eine grandiose Sicht auf den Hochvogel.
Am letzten Tag erwartet uns über Unterjoch noch eine Grenzerfahrung. Erspäht haben wir ihn schon öfter bei unseren Touren über Bad Hindelang, den felsigen Doppelgipfel von Zinken und Sorgschrofen haben wir uns aber bis zum Schluss aufgespart. Vorbei an den Zehrerhöfen, den höchstgelegenen Bauernhöfen Deutschlands, führt der Weg durch den Bergwald und über Almwiesen zum Zinken, dessen steile Felsen mit ihren windgepeitschten Kiefern an chinesische Gärten erinnern. Zum Glück hatten wir am Morgen nicht zu viel gegessen, drum passen wir auch durch die Felsspalte zwischen den beiden Gipfeln. Dann klettern wir auf dem gesicherten Steig zum Sorgschrofen und zugleich von Deutschland nach Österreich. Übrigens: Passkontrollen hat es hier oben auch schon vor EU-Zeiten nicht gegeben.
Das Prinz-Luitpold-Haus, auf 1846 Meter Höhe über dem wilden Bärgündeletal gelegen, vermittelt Dolomiten-Feeling in Deutschland: Vor der Berghütte steigen die riesigen Felswände von Hochvogel, Fuchskarspitze und Wiedemerkopf in den Himmel. www.prinz-luitpoldhaus.de
Infos zu den Wanderwegen, Klettersteigen rund um Bad Hindelang gibt’s bei Bad Hindelang Tourismus: www.badhindelang.de
Der Ort liegt im Ostrachtal am nördlichen Rand der Kalkalpen an der historischen Salzstraße. Mehr als 80 Prozent des Gemeindegebiets sind Landschafts- oder sogar Naturschutzgebiet.