Los geht unsere Rigi-Tour in Luzern, 80.000-Einwohner-Hauptstadt des gleichnamigen Schweizer Kantons am schönen Vierwaldstättersee. Die Schiffsanleger befinden sich am zentralen Platz mit dem markanten Bahnhofsgebäude von Stararchitekt Santiago Calatrava. Punkt 9.12 Uhr, die Pfeife des Raddampfers Uri ertönt, die Maschine im Rumpf beginnt zu arbeiten, rote Schaufelräder werfen glasklares Wasser auf. Der älteste Dampfer seiner Art (Baujahr 1901) auf dem Vierwaldstättersee schiebt seinen steilen, weißen Bug in die blauen Fluten, Fahrtrichtung Vitznau. Die Sonne scheint, oben an Deck ist die Luft klar und frisch.
Nach zehn Minuten Fahrt gleitet der Raddampfer bereits am Bürgenstock entlang, einer gewaltigen Felsnase, die weit in den See hineinragt. Ringsherum liegt eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Hinter uns ragt der Pilatus auf, der Hausberg von Luzern. Links sehen wir die Rigi mit ihrem 1797 Meter hohen Gipfel, Rigi-Kulm. Dort wollen wir hin.
Leise, mit einem leichten Stoß, legt die Uri im Ort Vitznau an, mit Schweizer Präzision genau nach Fahrplan um 10.09 Uhr. Dort wartet gleich neben dem Anleger schon die Bergbahn, die hoch zum Rigi-Kulm fährt. Start um 10.15 Uhr. Abfahrt, der Schaffner pfeift, und zügig geht es bergauf.
Heißt es nun der oder die Rigi? Die Bewohner der Region kennen diese Frage nur allzu gut. Eindeutig: die Rigi – „die Königin der Berge“, wie die Schweizer gerne sagen. So einfach ist das. Die Rigi ist dabei nicht einfach nur ein Berg, sondern ein ganzes Bergmassiv, das erhaben zwischen dem Zuger und dem Vierwaldstättersee liegt.
Geologisch gehört die Rigi, abgesehen von den Kalksteinzinnen der Hochflue sowie des Vitznauerstocks im Süden, nicht mehr zu den Alpen, sondern zur Subalpinen Molasse und damit zum Schweizer Mittelland. Das aus verschiedenen Materialien zusammengepresste, nicht sehr feste Gestein, wird auch als Nagelfluh bezeichnet. So weit die Theorie, beim Hinschauen aber bleibt nur zu sagen: Das haben die Gletscher gut gemacht in der Eiszeit. Alles schön über dem Vierwaldstättersee drapiert, so dass wir heute beim Zugfahren und beim Wandern stets die allerbeste Aussicht haben.
An der Rigi gibt es rund 120 km Wanderwege, vom einfachen Spaziergang bis zur alpinen Bergwanderung. Man könnte hier wochenlang wandern und immer wieder auf anderen Wegen gehen. Besonders toll sind die aussichtsreichen Höhenwege, auf denen man nicht aus dem Staunen herauskommt. Den sagenhaften Panoramaweg zum Beispiel, der von Rigi Kaltbad über First, Unterstetten und Hinder Dossen nach Rigi Scheidegg führt. Etwas mehr als 7 Kilometer, etwa 2 Stunden Gehzeit, na sagen wir 3, denn man bleibt immer wieder stehen und freut sich über die sensationellen Ausblicke.
Sehr schön ist auch der Rigi-Blumenpfad, eine einfache Tour auf guten Wegen im Gebiet Rigi Kaltbad/Rigi First, die sogar mit Kinderwagen oder Rollstuhl zu bewältigen ist – anschließend kann man ab den Stationen Rigi Wölfertschen-First, Rigi Klösterli oder Rigi Kaltbad per Bahn wieder ins Tal fahren.
Einst galt die Rigi übrigens auch als Berg für Prominente. Die Klugen und die Reichen der Welt kamen her, zum einen, um die Aussicht zu genießen, zum anderen, um in der Wallfahrtskapelle von Rigi-Kaltbad zu beten und in der Quelle daneben Heilung zu finden. Alle waren sie hier: Goethe, Bismarck, Churchill. Die schönste Reisebeschreibung aber stammt von Mark Twain. In seinem „Bummel durch Europa“ ist nachzulesen, dass er sich auf den Sonnenaufgang auf dem Rigi-Kulm freute, aber jedes Mal verschlief, weil er vom Wandern so müde war. Außerdem hat er seine Erfahrungen mit den Schweizern bei der Rigi-Wanderung gemacht:
„... Das Jodeln erklang in einem fort und war sehr hübsch und erfrischend anzuhören. Dann erschien der Jodler – ein Hütejunge von 16 Jahren –, und in unserer Freude und Dankbarkeit gaben wir ihm einen Franken und baten ihn, noch ein bisschen mehr zu jodeln. Also jodelte er, und wir lauschten. Nach einer Weile zogen wir weiter, und er begleitete uns großzügig mit seinem Jodeln, bis wir seinen Blicken entschwunden waren. Nach etwa einer viertel Stunde begegneten wir einem anderen Hütejungen, der jodelte, und wir gaben ihm einen halben Franken … Von nun an stießen wir alle zehn Minuten auf einen Jodler; wir gaben dem ersten acht Cents, dem zweiten sechs Cents, dem dritten vier Cents, dem vierten einen Penny, zahlten Nummer fünf, sechs und sieben nichts und brachten den Rest des Tages alle übrigen Jodler mit je einem Franken dazu, dass sie von ihrem Jodeln abließen. Es geht ein bisschen zu weit mit dieser Jodelei in den Alpen.“
Keine Sorge, heute würden wir wieder den einen oder anderen Franken herausrücken, damit einer anfängt zu jodeln. Meist ist es ruhig hier oben, nur gelegentlich ist Kuhgebimmel zu hören. Wir wandern weiter an Kaltbad vorbei in Richtung Scheidegg.
Auf einer Wiese machen wir Rast. Wir packen Äpfel, Brote und eine Tafel Schokolade aus und strecken die Beine weit von uns. Tief, ganz tief unten liegen der Vierwaldstättersee und das Städtchen Vitznau, drüben am anderen Ufer ragen die Steilhänge der Halbinsel Bürgenstock mächtig und grün ins Wasser hinein. Die Luft ist rein und frisch, die Sonne lacht vom Himmel. So, genau so sollte jeder Urlaubstag sein.
Zum Abendessen oder zum Mittagessen an einem anderen Tag empfehlen wir einen Besuch im Gasthaus Obermatt auf dem Bürgenstock (das ist die Halbinsel gegenüber). Dort gibt‘s leckeres Eglifilet, dazu ein gutes Glas Fendat – ein Gedicht! Und von der schönen Terrasse direkt am See hat man einen guten Ausblick auf die Rigi.
Die Rigi ist ein Bergmassiv bei Luzern in der Zentralschweiz zwischen dem Vierwaldstättersee, dem Zugersee und dem Lauerzersee. Gipfel ist der Rigi Kulm mit einer Höhe von 1798 Meter.