Im tiefen Süden Marokkos kann man tagelang unterwegs sein, ohne aus dem Staunen je herauszukommen. Eine Fahrt im Geländewagen quer durch den Antiatlas bis an den Rand der Sahara ist eine Reise der ganz besonderen Art. Man kommt dabei durch Dörfer und Städtchen, die wirken, als seien sie ganz einfach aus der Zeit gefallen.
Tafraoute zum Beispiel, unser erstes „Basislager“, aus dem wir täglich in die Berge aufbrechen, zu vielstündigen Touren auf abenteuerlichen Pfaden. Immer wieder eingeladen zum Pfefferminztee in abgelegenen Bergnestern. Der rund 6000 Einwohner kleine Ort Tafraoute ist nur gut drei Autostunden vom bekannten Strandbadeziel Agadir entfernt – und scheint doch auf einem ganz anderen Planeten zu liegen.
Dann, ein anderes Highlight, der Aufstieg zur Kasbah Tizourgane, einer alten Festung, heute ein wunderbarer Gasthof, vom Wüstenwind umtost. Saida, so dunkel, als stamme sie aus Schwarzafrika, serviert uns dort Cous Cous aus der Tajine, dem berühmten glasierten Schmortopf, der stets von einer tönernen Zipfelmütze gekrönt ist. Jeder nimmt sich vom Weizengries, vom Gemüse, dazu vielleicht ein Stück Huhn, gewürzt mit einem Hauch von Koriander und der scharfen Harissa-Paste.
Jetzt liegen die Canyons des Mansour-Tals hinter uns, durch das ein schmaler Bach rieselt, von Palmen gesäumt. Die Picknickplätze sind teils dramatisch-schöne Terrassen, auf denen üppig Getreide und Gemüse sprießen. Markante Granitformationen fordern die Fantasie heraus, sie lassen Indianerköpfe, einen Walfisch oder Napoleons Hut erkennen.
In dieser Region stellen Berber die Mehrheit der Bevölkerung, die „etwas anderen Marokkaner“. Ihre Kultur ist älter als der Islam, ihre Stämme sind heillos zerstritten. Aber nach außen hin, das haben uns Achmed und Mohammed, unsere Fahrer und Guides, jeden Tag aufs Neue bestätigt, sind sie allesamt Imazighen – freie Männer, die sich, Kolonialherren und Könige hin oder her, nie wirklich haben unterdrücken lassen.
Über all dem spannt sich ein Himmel, so tiefblau wie die Tücher, die sich unsere Fahrer als Turban gegen Kälte und Staub um den Kopf schlingen. In den mittleren Höhen erstrecken sich Plantagen aus Oliven- und Arganbäumen, ihr Grün ähnelt der Symbolfarbe des Propheten.
Der späte Nachmittag taucht dann die Berge in ein leuchtend-rotes Licht. Es könnte für die Leidenschaft und das Herzblut stehen, mit dem Berber und andere Volksgruppen des Südens ihre Würde zu wahren suchen – hier, keine hundert Kilometer von der Sahara entfernt.
Die kleine Stadt im Antiatlas-Gebirge mit ihren gut 6300 Einwohnern liegt in der Provinz Tiznit in der Region Souss-Massa im Süden Marokkos. Die Entfernung nach Agadir beträgt etwa 160 km.