Diese Stadt, einst Sehnsuchtsziel von Hippies aus aller Welt, ist heute Lieblingsort vieler Marokko-Kenner. An der Küste rund 180 Kilometer nördlich von Agadir gelegen, sind es von dort gerade mal 200 Kilometer weiter bis nach Marrakesch. Und trotzdem ist man hier in einer ganz anderen Welt.
Wie die viel berühmteren alten Königsstädte streichelt und reizt auch Essaouira alle Sinne. Aber anders als in Fes, Rabat, Meknes oder eben in Marrakesch weht hier ständig ein angenehmer Wind vom Atlantik her, schafft ein vollkommen eigenes Klima. Die stete Brise lässt die kleinen, blauen Boote im alten Fischerhafen heftig dümpeln, der direkt vor den dicken Mauern und dem Eingang zur Altstadt ein beliebtes Fotomotiv abgibt.
Wohl die meisten Urlauber, die jüngeren vor allem, kommen nach Essaouira, um zu surfen, zu kiten, zu baden oder sich an einem der Strände rechts und links der Medina in die Sonne zu legen. Kenner und Liebhaber dieser schönsten Küstenstadt des Landes aber finden auch beim zehnten Besuch noch Überraschendes im Labyrinth der Gassen, in der Kasbah, in den Souks unterhalb der Wälle, in der geheimnisvollen Mellah, einem alten jüdischen Viertel, das sich wie kein anderes in Marokko erhalten hat und von einem Miteinander der Kulturen erzählt, das noch gar nicht so lange zurückliegt.
Essaouira – was für ein schöner, sinnlicher Name. Er soll einst, so erzählen die Alten, als es noch kein Fernsehen und erst recht kein Smartphone gab, dem Klang des Windes nachempfunden worden sein, der nahezu tagtäglich vom Meer über die Mauern hinweg in die Gassen weht. Übersetzt bedeutet der Name soviel wie "Die Eingeschlossene". Draußen über dem Atlantik pfeift der Wind oft scharf und wirbelt den Sand an den Stränden der Umgebung auf. In den Gassen aber ist er nur noch als Brise, als angenehmes Lüftchen spürbar, eingeschlossen von den Geheimnissen des Orients.
Das ist eine Atmosphäre, die von den späten 1960er-Jahren bis nach der Jahrtausendwende die Hippies anzog, eine ähnliche Gesellschaft, wie sie sich damals in Kathmandu oder Goa niederließ. Jimmi Hendrix was here. Den Künstlern und Lebenskünstlern, den Dichtern und Träumern folgten die Vielreisenden, Franzosen, Engländer, Deutsche. Noch immer hocken sie in den Cafés von Essaouira und in den Berberdörfern der Umgebung. Sie haben sich damit abgefunden, dass der schönste Ort an der marokkanischen Atlantikküste längst kein Geheimtipp mehr ist, sondern vor allem auch viele Tagesausflügler aus Marrakesch anzieht.
Auch Spurensucher kommen gern nach Essaouira, Juden vor allem, die ein Wunder bestaunen: die wieder aufgefrischte Gemeinschaft von Israeliten, Muslimen und Christen, ein neues, eigentlich aber uraltes Miteinander. Bis in die 60er-Jahre regierten abwechselnd jüdische und islamische Bürgermeister die Stadt. Nach dem 6-Tage-Krieg wanderten viele Juden aus Marokko nach Isreal aus, auch aus Essaouira. Heute regt sich wieder jüdisches Leben, Synagogen werden renoviert, auch die liberale Haltung des Königs Mohammed VI. lässt den Alltag bunter erscheinen als anderswo in Nordafrika.
Essaouira liegr rund 180 Kilometer nördlich vom Flughafen Agadir. Ein Großteil der knapp 100.000 Einwohnern sind zugewanderte Berber. 2001 wurde die Stadt zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt. Seit 2013 ist Essaouira auch Drehort der beliebten Serie Game of Thrones. Die schönste Reisezeit liegt im Frühjahr und Herbst.