Sabine Braun ist Fotografin, ihr Mann Harald Braun schreibt für Magazine und Zeitungen Geschichten auf. Gemeinsam sind die beiden ungefähr die Hälfte des Jahres irgendwo auf der Welt unterwegs. Das klingt nach einem Traumjob. Wäre es auch, wenn SIE nicht so für Kanada und ER nicht so für Australien wäre, wenn SIE nicht gerne das Land erkunden und ER sich nicht lieber an sonnigen Stränden herumtreiben würde.
Einer Meinung sind die beiden selten, außer vielleicht bei dem Satz: „Augen auf bei der Reisepartner-Wahl!“ Das gilt besonders bei Reisezielen abseits des Mainstream – etwa bei den Kapverdischen Inseln.
WO LIEGT DAS EIGENTLICH?
Die Kapverdischen Inseln (auch Kapverden oder Cabo Verde) sind ein afrikanischer Inselstaat, ungefähr 570 Kilometer westlich von Dakar im Atlantik gelegen. Es gibt dort neun besiedelte Inseln mit rund 450.000 Einwohnern, rund 80 Prozent der Menschen sind katholisch. Die Anreise ist unkompliziert. Die Flugzeit von Deutschland nach Sal, Boa Vista oder São Vicente dauert etwa sechs Stunden, Flüge mit Tui Fly oder der portugiesischen TAP sind ab etwa 500 Euro zu haben.
Die Inselgruppe liegt etwa 570 Kilometer vor der afrikanischen Westküste und ist ein Teil von Makaronesien. Der Archipel besteht aus insgesamt 15 größeren und zahlreichen winzigen Inseln, nur neun der Eilande sind bewohnt. Die Hauptstadt ist Praia (rund 130.000 Einwohner) und liegt auf der Insel Santiago. Urlauberziele sind vor allem Sal, Boa Vista und São Vicente, wo es auch Flughäfen gibt.
WARUM WOLLT IHR DA ÜBERHAUPT HIN?
SIE:
Ich habe grandiose Fotos gesehen und viel über die Highlights der portugiesischsten Insel Afrikas gelesen: schroffe Bergwelten, tropische Täler, atemberaubende Wanderrouten und im Hintergrund immer diese melancholische Morna-Musik. Zudem hieß es: Wer den ursprünglichen Reiz der Kapverdischen Inseln kennen lernen will, sollte sich beeilen – das Land boomt.
ER:
Ich mag Afrika generell im deutschen Winter, schon allein, weil es dort warm und sonnig ist. Zudem sind die Kapverden fast genau so schnell zu erreichen wie die Kanaren. Außerdem reden wir hier über 360 Sonnentage im Jahr – und vor allem die Inseln Sal und Boa Vista sollen ja für Windsurfer und Taucher ein Paradies sein.
UND: ERWARTUNGEN ERFÜLLT?
SIE:
Auf den Inseln Santo Antão und São Vicente kann man in der Tat ganz fantastisch wandern. Sogar mit meinem murrenden Gatten, der immer wieder vergisst, dass er das im Grunde gerne macht, wenn er sich einmal dazu überwunden hat. Manchmal muss man ihn halt zu seinem Glück zwingen ... ich meine: überreden! Wir wanderten an zerklüfteten Steilküsten entlang und marschierten über malerische Serpentinen durch nur mäßig besiedelte Berglandschaften. Nur hin und wieder trafen wir Einheimische mit Lasteneseln. Allein diese eine Wanderung in der fast senkrechten Wand der Bordeira do Norte auf einem alten Maultierpfad, der sich in Serpentinen die Felswand hinauf und hinab schlängelte, war die Reise wert.
ER:
Naja. Für Menschen mit der DNA einer Bergziege war's eine tolle Zeit. Ernsthaft: Die Wanderungen auf Santo Antão und São Vicente hatten was, vor allem die grandiosen Ausblicke werde ich nicht vergessen. Und die Strände? Nun, der Nachteil dieser neu erwachten Beliebtheit von Sal und Boa Vista liegt auf der Hand: Die beliebtesten Strände sind in der Hauptsaison gut gefüllt, als Geheimtipp gehen die beiden „Badeinseln“ der Kapverden jedenfalls nicht mehr durch.
DER SCHÖNSTE MOMENT?
SIE:
Der schönste Moment für mich dauerte eigentlich einen ganzen Abend: Das war, als Hetty, unser Wanderguide, uns zum Essen in ihr Zuhause einlud. Cachuuuupppaaaaa! rief sie breit grinsend und zeigte auf die Nationalspeise der Kapverden. Wir reden über eine Art Eintopf, der aus gestampftem Mais, Zwiebeln, grünen Bananen, Maniok, Süßkartoffeln, Kürbis, Yams, Tomaten und Kohl besteht. Schmeckt prima, und das wollte Hetty auch deutlich hören! Überhaupt: Wer das Große und Ganze auf Cabo Verde verstehen will, ist bei Hetty richtig: 29 Jahre alt, mit einer Überdosis Energie und einem abgeklärten Pragmatismus gesegnet, der sich über das Leben keine romantischen Illusionen macht. Sie kann auch lauter lachen als ein Kegelchor auf der Reeperbahn. „Amor!“, rief Hetty ihren Mann, „bring den Maracujapunsch!“ Auch den hatte sie mit Hilfe des legendären Santo Antão-Grogues (ein Edelbrand) selbst gemacht – ein wunderbar klebriges Getränk mit reichlich Umdrehungen und einer erlesenen Geschmacksnote. Köstlich. Wir tanzten anschließend zusammen zu den Klängen der kapverdischen Coladera-Musik in einem ehemaligen Ziegenstall, den ihr „Amor“ zur Hochzeit umgebaut hatte.
ER:
Mein Moment: Jedes Mal, wenn ich nach diesen elend langen Wanderungen meine Schuhe ausziehen und die Füße ins Meer halten konnte ... Aber es stimmt schon, was meine Ehefrau sagt: Hetty war eine Wucht. Vor allem, weil sie kein Blatt vor den Mund nahm. Von wegen „mehr als Sonne, einen Teller Cachupa und Musik braucht hier niemand, um glücklich zu sein ...“ Eine Wahrheit hinter der Fassade der musikalisch unterlegten, farbenfrohen Idylle von Cabo Verde lautet: Die Inselgruppe zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, ist gebeutelt von 27 Prozent Arbeitslosigkeit und steter Dürre, der Nordostpassat fächelt den Kapverdischen Inseln nahezu ganzjährig trockene Luft zu. Es ist ein Wunder, wie freundlich und offen, ja wie lebenslustig die Menschen hier trotzdem sind. DAS ist der Eindruck, den ich mit nach Hause genommen habe.
... UND DIE GRÖSSTE ÜBERRASCHUNG?
SIE:
Auf den Kapverden haben die Frauen die Hosen an. Ich zitiere Hetty: „Die Frauen auf Cabo Verde sind starke Persönlichkeiten, die Männer aber ...“ Hintergrund: „Auf den Kapverden ist die Ehe traditionell nicht sehr populär, über 50 Prozent aller Erwachsenen sind ledig. Trotzdem sind 44 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre alt – viele Mütter sind alleinerziehend, Männer haben oft mehrere Kinder von unterschiedlichen Frauen. Hetty findet das im Prinzip auch in Ordnung: „Wir leben hier in großen Familien zusammen – und bei uns gibt es auch keine Diskussion über Gleichberechtigung.“
ER:
Die Musik: Wir besuchten in der Stadt Mindelo auf São Vicente auch das Haus von Cesária Évora. Auf den Kapverdischen Inseln war die „barfüßige Diva“ schon zu Lebzeiten eine Legende und beinahe die einzige Musikerin der Inselgruppe, die es auch zu internationaler Berühmtheit brachte. Unter anderem veröffentlichte sie Aufnahmen mit Adriano Celentano, Bonnie Raitt und Peter Maffay. Morna, die in den ehemaligen portugiesischen Kolonien entstandene Musik, war ihre Domäne, ein Stil, der auf Cabo Verde an jeder Straßenecke zu hören ist. Zauberhaft schön, leidenschaftlich und ein wenig melancholisch zugleich! Morna mixt Blues mit lateinamerikanischen Rhythmen und dem schwermütigen Fado aus Portugal und bezieht sich inhaltlich dabei stets auch auf die politischen und gesellschaftlichen Zwänge, mit denen sich die rund 500.000 Cap Verdianer seit jeher auseinandersetzen.
TYPISCHER DIALOG:
SIE:
„Nein, das kann jetzt nicht mehr weit sein.“
ER:
„Und wo ist jetzt der Strand?“