- Preis-Leistungs-VerhältnisSehr gut
Das Schloss Vietgest wurde von seinen Besitzern im Jahre 2001 in einem total desolaten Zustand erworben. Ursprünglich zu den Besitztümern der Dynastie Schaumburg-Lippe gehörend, wurde es 1945 enteignet und wie das in der DDR üblich war z.B. als Schule heruntergewirtschaftet. Es wurde Ende des 18. Jahrhunderts errichtet und scheint wieder an seine ehemalige Pracht anknüpfen zu können. Mit Liebe zum Detail wird es von Familie Ehnes wieder hergerichtet. Dabei – das ist allen klar – kann eine solche Riesen-Aufgabe nur Schritt für Schritt bewältigt werden. Aber man freut sich zu sehen, wenn Menschen etwas anpacken und ihren Traum verwirklichen. Inzwischen kann man hier auch heiraten. Ein herrlicher Barocksaal lädt dazu ein. Die Preise hierfür sind All-Inclusive-Preise und absolut moderat. Unweit von Vietgest liegt Güstrow, wo es viel zu sehen gibt: den romanisch-frühgotischen Dom aus dem 13. Jahrhundert mit dem berühmten Barlach-Engel und das Schloss. Auch die Marienkirche am Markt sowie die ganze Innenstadt sind sehenswert. Enttäuschend war die Barlach-Gedenkstätte, in der man auf einem ehemaligen Friedhof in einer ehemaligen Kapelle bei einem Eintrittspreis von 3 € einige Barlach-Werke sehen kann, jedoch ohne weitere Informationen. Wer sich für Archäologie interessiert, sollte es nicht versäumen, die bedeutenden Steinkreise, hier Steintänze genannt, bei Boitin zu besuchen. Das allerdings nur bei schönem Wetter, sonst versinkt man im Matsch. Jedenfalls gibt es an Natur und anderen archäologischen Dingen noch so viel zu sehen, dass wir unbedingt noch einmal hinmüssen.
Unser Zimmer lag im Erdgeschoss mit Blick auf den Garten und war sehr freundlich eingerichtet. Auf dem Tisch warteten eine kleine Flasche Rotwein und diverses Infomaterial auf uns. Leider waren die Betten für uns zu weich, aber für andere Gäste werden sie durchaus passend sein. Das Zimmer verfügte über einen Kleiderschrank (mit richtigen, einheitlichen hölzernen Bügeln und keinem Bügel-Sammelsurium) und einer Art Schränkchen. Im Nachttisch fanden wir eine Bibel – wie angenehm und leider nicht selbstverständlich in Ostdeutschland. Im Bad fanden wir alles vor, was man so braucht: Flüssigseife für Haut und Haar, Gläser fürs Zähneputzen, Wattestäbchen und –bällchen (ggf. zum Werfen) und einen richtigen, leistungsstarken Fön, mit dem man die Haare auch in relativ kurzer Zeit trocknen kann. Fernsehen war mit vielen Programmen vorhanden, für den Zweck unseres Aufenthaltes jedoch nicht sonderlich wichtig. Das Zimmer war sehr sauber, individuell beheizbar, und man konnte die Fenster öffnen.
Wir hatten bei ebay ein Arrangement mit einem Dreigang- und einem Viergang-Menü ersteigert und wurden nicht enttäuscht. Die Speisen hoben sich wohltuend vom „Fettige-Bratkartoffel-Image“ der Gegend ab. Mit Liebe zum Detail wurde beispielsweise eine Tomaten-Terrine mit Flusskrebsen kredenzt, die den Gaumen in der Tat kitzelte. Sterne-Küche kann man hier nicht erwarten, wohl aber gehobene Mittelklasse. Hut ab. Zwar hätte ich (kein Koch!) ein paar Dinge etwas anders gemacht, aber im großen und ganzen waren wir sehr zufrieden. Ich weiß jedoch nicht, ob alle anwesenden Gäste das Menü genauso genossen haben wie wir und die Speisen in ihrer Abweichung vom "Hauptgericht mit Sättigungsbeilage“ würdigen konnten. Was sich wirklich vom Niveau des Essens abhob, war die Weinkarte. Es dominierten liebliche und halbtrockene Weine von geringer Qualität. Für 18 € tranken wir einen Silvaner aus der Pfalz. Die Flasche hatte einen Schraubverschluss, der Wein war für unseren Geschmack zu süß, obwohl er als trocken ausgewiesen war. Hier gibt es enorme Steigerungschancen. Auch das Ambiente der Bar ist noch ausbaufähig. Doch ein guter Anfang ist schon einmal gemacht.
Der Service ist aufmerksam und sehr freundlich. Manchmal stößt man auf leichte Unsicherheiten beim Personal. Aber wenn man dann erfährt, dass es sich hierbei um Lehrlinge handelt und die Schlossbesitzer die einzigen sind, die im Landkreis in der Gastronomie ausbilden, kann man mit einem Lächeln über alles hinweggehen. Sehr positiv ist uns der sogenannte „Tee-Punkt“ aufgefallen, wo sich die Gäste jederzeit Tee kochen oder kostenlos an Wasserflaschen bedienen können. Das ist mehr als eine nette Geste. Fragen nach Ausflügen in die Umgebung werden vom Personal schnell, präzise und freundlich beantwortet.
Schloss Vietgest liegt am Ortsausgang des gleichnamigen Dorfes, das sich etwa 12 km von Güstrow entfernt befindet. Wenn man sich auf der Auffahrt dem Bau nähert, ist man hin- und hergerissen zwischen Trauer, wie ein solches Gebäude verfallen gelassen werden konnte, und Freude darüber, dass es nun wieder hergerichtet ist. Es ist jedoch noch viel zu tun. Aber das, was da ist, kann sich sehen lassen. Hinter dem Schloss liegt ein wild-romantischer Landschaftsgarten, den wir wegen des Winters jedoch nicht ausführlich würdigen konnten. Ich weiß, dass der Einsatz eines Gärtners eine finanzielle Frage ist, aber mit ein paar Eingriffen in die derzeit herrschende Wildnis könnte der Garten noch ein zusätzlicher Grund sein, nach Vietgest zu fahren. Hier im Schloss kann man die Ruhe genießen. Ab und zu bellt aus der Ferne ein Hund, nachts meldet sich eine Eule, wenn man aufmerksam lauscht. Auf dem nicht weit entfernten Bahndamm fährt gelegentlich ein Zug und kündigt sein Nahen mit Tuten an. Auch das gehörte für uns zur Land-Romantik.
Beliebte Aktivitäten
- Sonstiges
Wir wollten kuscheln und keinen Sport!
Infos zur Reise | |
---|---|
Verreist als: | Paar |
Dauer: | 1-3 Tage im Februar 2006 |
Reisegrund: | Sonstige |
Infos zum Bewerter | |
---|---|
Vorname: | Gabi |
Alter: | 36-40 |
Bewertungen: | 18 |