Auf dem großen Platz zwischen schönen historischen Bauten ertönt junges Stimmengewirr, Gläser klingen, immer wieder brandet Gelächter auf. Die Sonne glitzert auf blankpoliertem Kristall, in Bars und Kneipen zischen Kaffeemaschinen und Zapfhähne. Der Oude Markt im Herzen der Stadt Leuven gilt als die längste Theke Europas (Düsseldorfer hören’s nicht gern), im Schatten prächtiger Giebelhäuser stehen tausende Tische und Stühle auf Kopfsteinpflaster vor mehr als 40 Restaurants und Bistros. Hier pulst das Leben von früh bis spät.
Junge Menschen sonnen sich, reden und chillen, nehmen noch einen Drink oder ein Bier und genießen den Tag. Bei gutem Wetter wie heute ist besonders spürbar, dass Leuven rund 50.000 Studenten hat – bei gerade mal 100.000 Einwohnern. Willkommen in Flanderns Universitätsstadt Nummer eins: Zigtausende lernen an der 1425 gegründeten Hochschule, zusammen mit Heerscharen junger Fachhochschüler sorgen sie für ausgelassenes Leben im historischen Zentrum.
Außerdem und vor allem aber beansprucht Leuven für sich, die Welthauptstadt des Bieres zu sein. Gründe dafür gibt es genug, auch wenn andere Metropolen wie Brüssel oder München den Ehrentitel nicht kampflos hergeben. Gut also, dass die Auszeichnung immer inoffiziell bleiben wird. Fakt ist hingegen, dass Leuven der Sitz der größten Brauerei der Welt ist. Seit das belgisch-brasilianische Konsortium InBev 2008 den US-Multi Anheuser Busch geschluckt hat, firmiert das Unternehmen unter dem Namen AB InBev – und der Firmensitz befindet sich in Leuven.
Die Brauereigruppe beschäftigt rund 150.000 Mitarbeiter in 24 Ländern, zum Portfolio zählen mehr als 200 Marken, darunter Sorten wie Corona, Budweiser, Beck’s, Diebels, Löwenbräu und Franziskaner. Herzstück des Firmengeflechts jedoch bleibt die weltbekannte Marke Stella Artois, die in Leuven gebraut und in 80 Länder verkauft wird.
Leuven beherbergt mit dem „Domus“ zudem den ersten sogenannten Brewpub Belgiens. Aus dem Produktionsbetrieb mitten im Stadtzentrum führt eine Rohrleitung hinüber in die benachbarte Restaurant-Kneipe, quert dabei eine kleine Gasse und endet direkt über dem Tresen, wo der Gerstensaft frisch und kalt in die Biergläser schäumt.
Nicht weit davon lockt mit „The Capital“ die wohl größte Bierkneipe der Welt: Sie bietet 3000 verschiedene Biere, davon 2400 belgische. 20 glänzende Zapfhähne warten auf Durstige, durch gläserne Bodenplatten schaut man hinab in das beeindruckende Bierlager. Ein hölzerner Aufzug im Paternoster-Stil befördert die gewünschten Flaschen nach oben.
Klar, dass in Leuven rund ums Thema Bier auch so manches Event geboten wird. Auf Bier-Touren zu Fuß oder per Fahrrad geleitet ein kundiger Führer zu alten Brauereien, erzählt dabei die Geschichte der Bierstadt und weiß Antwort auf jede Frage. Warum gibt es rund um den Oude Markt so viele Kneipen? Wie kommt es, dass das Leuvener Bier so bekannt wurde? Gibt es einen Unterschied zwischen einem Kroeg und einem Estaminet? Ist es wahr, dass die Brauer einst Fischschuppen und Schweinsfüße verwendeten, und wurde das Bier früher mit Wasser aus dem Flüsschen Dijle gebraut?
Und es gibt noch so vieles mehr. Eine Bier-Gastronomie zum Beispiel: Gourmetküche und belgisches Bier sind eine Kombination, die rasant an Beliebtheit gewinnt. Oder das große Bier Festival am letzten Aprilwochenende: Mehr als 100 Brauereien präsentieren an zwei Tagen in der Brabanthalle über 500 gute Biere. Es gibt Rundgänge, Workshops und Verkostungen, und nicht zuletzt öffnet die Brauerei AB InBev zu diesem Anlass ihre Pforten.
„Häppchen und Gezapftes“ (Hapje Tapje) lautet schließlich der Titel eines hochkarätigen Eintages-Festivals, das jährlich Anfang August stattfindet und im historischen Zentrum von Leuven Spitzenköche und Premium-Biere zusammenbringt.
Leuven ist die Bier-Hauptstadt, aber in Sachen Gerstensaft ist Flandern allgemein ganz weit vorn – sowohl was die Qualität und die Auswahl angeht, als auch hinsichtlich der geschmacklichen Vielfalt. Während in Deutschland das berühmte Reinheitsgebot als unerschütterliches Dogma galt und gilt, wonach nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser zum Brauen verwendet werden (dürfen), sind die Bierbrauer in Flandern deutlich experimentierfreudiger. Hier dürfen so ziemlich alle Zutaten in die Kupferkessel wandern – und das erweitert das geschmackliche Spektrum doch ganz erheblich.
Bierfreunde auf der Suche nach neuen Geschmackserlebnissen müssen also nicht in exotische Länder fliegen: Mit über 130 Brauereien und weit mehr als 1000 Sorten ist Flandern prädestiniert für eine abenteuerliche Reise in die Welt des handwerklich hergestellten Bieres.
Weitere Tipps und Infos für den City-Trip nach Leuven findet ihr hier.
Pils – das klare, goldfarbene Bier feierte in Belgien spätestens mit der Lancierung von Stella Artois im Jahr 1923 seinen Durchbruch
Dubbel – der Alkoholgehalt liegt meist bei 6 bis 7,5 Prozent. Die Biere sind in der Regel dunkel und leicht süßlich
Tripel – ist häufig stark und würzig, es kann einen Alkoholgehalt von bis zu neun Prozent aufweisen
Trappistenbier – sagt nichts über die Sorte aus, sondern bezeichnet ein Produkt von Mitgliedern des sogenannten „Zisterzienserordens von der strengeren Observanz“
Abteibier – auch andere Ordensbrüder machen gutes Bier, Namen wie Grimbergen, Affligem oder Tongerlo genießen hohes Ansehen
Weißbier – wie das Pendant aus Bayern sind die belgischen Varianten trüb und meist ungefiltert. Anders als beim deutschen Weizen aber werden zur Würze Zusatzstoffe verwendet, etwa Koriander und Curacao, was dem Bier einen erfrischenden Charakter verleiht
Blonde Biere – eine Nuance dunkler, aber per Definition immer noch hell sind die Blonden Biere Belgiens. Der Hefeanteil ist meist hoch
Starke blonde Biere – besondere Variante, diese Abgrenzung ist bei einem Alkoholgehalt von 7 bis 11 Prozent durchaus gerechtfertigt
Bière Brut – starkes blondes Bier, das nach der Champagner-Methode reift: Zu diesem Zwecke werden die Flaschen regelmäßig um 90 Grad gedreht. Der Alkoholgehalt liegt bei 11 bis 11,5 Prozent
Spéciale Belge – hat einen bernsteinfarbenen Ton und einen malzigen Geschmack, moderater Alkoholgehalt von 5 bis 6 Prozent
Sterk donker (Dunkle Starkbiere) – eine Vielzahl starker Stadt- oder Regionalbiere, fast alle zeichnen sich durch einen hohen Alkoholgehalt (8 bis 13 Prozent) und einen süßlichen Charakter aus
Fruchtbier – Puristen mögen skeptisch bleiben, doch Fruchtbiere sind auf dem Vormarsch. Sauerkirschen, Erdbeeren, Himbeeren oder Pfirsiche sind gängige Ingredienzen, der Alkoholgehalt reicht von 2,5 bis 6 Prozent
Lambiek (Lambik) – wird in Flaschen abgefüllt, wo eine zweite Vergärung stattfindet. Das Produkt lagert nun für ein bis zwei Jahre im verkorkten Zustand, das Endprodukt bezeichnen die Belgier als Geuze und ist als „Spezialität nach traditioneller Herstellung“ geschützt und geadelt.
Leuven liegt rund 20 Kilometer östlich von Brüssel am Fluss Dijle. Die Stadt zählt rund 100.000 Einwohner, fast die Hälfte davon sind Studenten. Zu deutsch heißt Leuven übrigens Löwen, wenngleich der Name der Bierstadt nichts mit der Großkatze zu tun hat.