Blick auf ein verschneites Gebiet
© stock.adobe.com - ARochau

Reisebericht

Winterwunderland Warth: Skifahren ohne Schnickschnack

Der schneereichste Ort Europas. Unzählige Nordhänge. Ein Paradies für Freerider. Ein ruhiges Bergdorf auf 1.500 Metern Höhe, das drei SkiolympiasiegerInnen hervorgebracht hat. Eine Frau, die eine Schneemessstation betreibt: All das hat meine Neugier auf Warth geweckt. Der 180-EinwohnerInnen-Ort liegt im Bundesland Vorarlberg, an der Grenze zu Tirol, gehört aber zum legendären Skigebiet Arlberg, das als das größte Skiparadies ganz Österreichs gilt.

Folge unserem WhatsApp Kanal!Gutscheine, Gewinnspiele, relevante News & Updates zum Thema Reisen!Zum Kanal
Blick auf ein Skigebiet mit Skilifts
Warth, Vorarlberg, Österreich © stock.adobe.com - hachri

Auf ins Abenteuer

Piep! Jacky, der coole Typ mit dem Ohrring in Kuhform, hält sein Lawinensuchgerät an das meine. Test bestanden. Strahlend blauer Himmel, die Sonne scheint. Ein perfekter Wintertag. Wir starten zur Pfarrer-Müller-Freeride-Skitour. Aber nicht wie deren Namensgeber per Holzski und -stock, sondern zunächst ganz bequem mit dem Sessellift. Das Besondere an der historischen Skitour ist, dass keine Felle aufgezogen werden müssen, weil die Anstiege nur kurz sind und einige Liftmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Abfahrten im unberührten Tiefschnee jenseits der Pisten sollen jedoch spektakulär sein.

Ein Skitourengeher bahnt sich seinen Weg durch die verschneite Landschaft im Vorarlberger Bergparadies, nahe der beeindruckenden Gipfelkulisse.
Winterliche Tour in Warth © Michaela Strassmair

Dorfpfarrer bestellt ersten Ski aus Schweden

Für den Dorfpfarrer, der 1894 in der Zeitschrift Deutscher Hausschatz erstmals Fotos von Skiern aus Schweden sah und diese sofort per Postanweisung bestellte, waren Abfahrten vermutlich eher eine lästige Begleiterscheinung. Denn er konnte sich wohl gar nicht vorstellen, wie genussvoll man powdern konnte. Er sah in Skiern einfach nur praktische Fortbewegungsmittel. Für die Wochen im Winter, in denen wegen meterhohem Schnee und Lawinengefahr niemand aus Warth herauskonnte. Nicht einmal mit Schneeschuhen. Doch der junge Geistliche wollte seine Schäfchen in der höchstgelegenen Walserssiedlung Bürstegg nicht alleine lassen und auch den Ort Lech im nächsten Tal besuchen. Und das, fand er, müsse mit diesen seltsamen Holzbrettern doch ganz gut zu machen sein.

Nach einer anstrengenden Stunde des Querens und Schiebens, aber auch herrlicher Abfahrten, erreichen wir das heute verlassene Bürstegg auf 1719 Metern. Ein paar Holzhütten, eine kleine Kirche. Doch mein Blick wird magisch von einem Lawinenkegel angezogen, dessen große Schneebrocken wir überqueren müssen. „Güx amol dött uffe“, ruft Jacky in seinem charmanten Walser Dialekt, auch  Walserdütsch genannt, und zeigt in Richtung Gipfel des Wartherhorns. Wir tun wie er uns sagt, gucken nach oben und sehen – Gämsen! Drei der insgesamt 30 Tiere, die hier leben. „Gämsen sind clever, sie haben einen Instinkt für Lawinengefahr“, erklärt unser Skiguide, der zu Hause eine Landwirtschaft betreibt. 

Ein Paar beim Langlaufski in einer verschneiten Landschaft
Erkunde das Winterwunderland Warth mit Deinen Liebsten © stock.adobe.com - ARochau

Goldgewinner: Wie der Vater, so der Sohn

Skilehrer und Landwirt, das trifft auch auf den heute bekanntesten Einwohner Warths zu: Hubert Strolz. 1988 gewann er Olympiagold in der alpinen Kombination in Calgary und führte danach und bis vor wenigen Jahren die örtliche Skischule. Sein Sohn Johannes sorgte 2022 für eine weitere Sensation: 34 Jahre nach seinem Vater gewann er ebenfalls olympisches Gold in der alpinen Kombination. Und noch eine Ski-Olympiasiegerin hat Warth zu bieten: Wildtrud Drexel (1972 Bronze im Riesenslalom in Sapporo), die heute eine Pension führt. Wie Familie Strolz übrigens auch. 
Wir sind von solchen sportlichen Erfolgen weit entfernt. Doch wir genießen unseren Skitag! Der Schnee glitzert und staubt wie Puder. Wieder eine Abfahrt vor uns, unberührt. Jacky hat nicht zu viel versprochen. Hier, weit abseits der Pisten, herrschen von Dezember bis April paradiesische Verhältnisse für Tiefschneefans. „Das liegt an unserer Staulage. Denn wir sind die erste Erhöhung, und bei Nordwestwind bekommen wir am meisten Schnee ab“, erklärt Ulrike Schlierenzauer, die ich am nächsten Tag beim Einkehrschwung im Hotel Körbersee kennenlerne. 

Blick auf eine verschneite Landschaft mit Tannenbäumen und kleinen Häusern
Körbersee, Warth-Schröcke, Vorarlberg, Österreich © stock.adobe.com - ARochau

Die Schneepäpstin vom Körbersee

Die Powerfrau lebt und arbeitet am Körbersee. Der idyllische Bergsee ist im Sommer ein beliebter Instagram-Fotospot, der schon zum schönsten Platz Österreichs gewählt wurde. Momentan ist von dem See aber nichts zu sehen. Alles ist weiß zugeschneit. Auf 1.654 Metern Höhe betreibt Ulrike das Hotel Körbersee und eine der insgesamt sieben Schneemessstationen Vorarlbergs. 48 Jahre lang stapfte bereits ihr Vater jeden Wintermorgen um 6.30 Uhr, noch im Dunkeln, hinaus zu seinem Messfeld, um die weiße Pracht zu analysieren. Ganz gleich, ob es stürmte, schneite oder Sonntag war. Seine Aufgaben: einsinktiefe und Oberflächentemperatur der Schneedecke messen. Rammprofil graben und Korngröße, Feuchtigkeit sowie Eislamellen untersuchen. Seine Leidenschaft für Schnee und Gastfreundlichkeit gab er an seine Tochter weiter. Mittlerweile ist vieles digitalisiert, doch Ulrike meldet weiterhin täglich Schnee- und Wetterdaten an den Vorarlberger Lawinenwarndienst und den Katastrophenfunk. Die höchste Schneemenge, die jemals von den Schlierenzauers gemeldet wurde, lag bei 16,49 Metern. Rekord! Das war im Winter 1998/99. Durchschnittlich sind es nur um die elf Meter Neuschnee pro Winter, was dem Skigebiet Warth-Schröcken den Titel schneereichstes Skigebiet Europas einbrachte. Und das ist nicht der einzige Superlativ: Neben seiner schneesicheren Lage zwischen 1.500 und 2.050 Metern Höhe ist es seit der Verbindung nach Lech, an das es über die 10er-Gondel Auenfeldjet angeschlossen ist, Teil des weltbekannten Skigebietes Arlberg. Und damit des mit 85 Liften und mehr als 300 Pistenkilometern größten Skigebiet Österreichs.

Blick auf ein verschneites Dorf am Abend
Warth, Vorarlberg, Österreich © stock.adobe.com - Anna

Die ruhige Seite des Arlbergs

Doch das Protzen mit Superlativen (und auch sonst) passt so gar nicht zum idyllischen Bergdorf Warth mit seinen insgesamt 1.750 Gästebetten. Hier dröhnt keine Musik aus Après-Ski-Bars. Hier zählen die majestätischen Berge und das Freiheitsgefühl mehr als stylische Klamotten und lautstarkes Feiern. „Bei uns fühlen sich Familien und Sportler wohl, denn bei uns geht es ruhig und gemütlich zu“, sagt Bürgermeister Stefan Strolz, ein Cousin von Hubert Strolz und Chef der Lawinenkommission, den ich bei Ulrike im Hotel Körbersee treffe. Auch er ist ein cooler Typ mit Ohrring, aktiv in der Alphorngruppe und der Feuerwehr, der mir vom „Lädele“ neben der Kirche vorschwärmt. „Da du die Pfarrer-Müller-Tour gemacht hast, musst du dir unbedingt unser schönstes Haus im Dorf ansehen, ein altes, restauriertes Walserhaus mit viel Geschichte“, empfiehlt er mir. Doch wann, frage ich mich still beim Blick aus dem Fenster? Es schneit! Dicke Flocken tanzen lautlos vom Himmel. Ich will doch Skifahren. Auf all den weiten Nordhängen oberhalb der Baumgrenze. Im frischen Pulverschnee!

Blick auf ein Skigebiet
Warth, Vorarlberg, Österreich © stock.adobe.com - ARochau

Varianten im Winterwunderland

Meine Langlaufausrüstung liegt noch im Auto, dabei gäbe es hier 14 Kilometer an klassischen und Skating-Loipen. Mit Einstiegen in Warth oder am Hochtannbergpass, der in wenigen Minuten kostenlos mit dem Dorfbus zu erreichen ist. Höhentrainingseffekt und Panoramablick auf die mehr als 14 über 2.000 Meter hohen Gipfel inklusive. Winterwunderland. Wer eine Skipause einlegen will, kann sowohl hier als auch im Nachbarort Schröcken auf Naturbahnen rodeln, auf präparierten Wegen winterwandern, an gefrorenen Wasserfällen eisklettern, mit Husky Schlittenfahren oder geführte Schneeschuhtouren machen. Auch Schlittschuhfahren am Eislaufplatz ist möglich. Dieser liegt mitten in Warth, nicht weit von einem Ensemble alter Walserhäuser entfernt. 

Häuser in verschneiter Landschaft
Bewundere die gemütlichen österreichischen Walserhäuser in diesem Winterwunderland © stock.adobe.com - saumhuhn

Wamslerofen im alten Walserhaus

Die Walserhäuser reichen ins 15. Jahrhundert zurück. Aber alle Blicke zieht das Gebäude „Kulturraum & STUBA Lädele“ auf sich. Seine schindelbedeckte Fassade ist sonnengegerbt, weiße Holzrahmen leuchten zwischen grünen Fensterläden. Auch innen ist alles liebevoll restauriert. Es gibt ein Museum mit einem kleinen Laden, der regionale Spezialitäten verkauft. In den niedrigen Stuben verbreitet ein Wamslerofen gemütliche Wärme; ein großer Tisch mit Eckbank lädt zum Verkosten der Produkte ein. Doch noch bevor ich herausfinden kann, wie das mir angebotene Gamsblut schmeckt, fällt mein Blick auf den Siegerhelm von Johannes Strolz an, den Rennanzug von Wildtrud Drechsel und die Medaillen von Hubert Strolz, die hier ausgestellt sind. Außerdem erfahre ich Spannendes über die Geschichte, wie sich das Bergbauerndorf zum modernen Wintersportort entwickelte. Nach Skipionier Pfarrer Müller war es wieder ein Geistlicher, der sich in den 1920er-Jahren als Visionär entpuppte: Pfarrer Josef Essl erkannte das touristische Potenzial und eröffnete einen Beherbergungsbetrieb, die Pension Pfarrhof. StudentInnen aus Berlin vom Institut für Leibesübungen waren die ersten Gäste. Die letzte Etappe ihrer langen Anreise bewältigten sie mit Pferdeschlitten. Mit dem Bau des ersten Skiliftes im Ort in den 1950er-Jahren erhielt der Fremdenverkehr weiteren Aufschwung. Beschwingt fühle auch ich mich mittlerweile; kein Wunder, ich habe ein Stamperl Gamsblut intus. Das ist ein Kräuterlikör, den ich zusammen mit Bürgermeister Stefan und zwei BesucherInnen in den gemütlichen Stuben verkostet habe. 

Skifahrer in verschneiten Bergen
Begib Dich mit Deinen FreundInnen auf ein Skiabenteuer im schönen Warth © stock.adobe.com - uweseidner

Skisaison von Dezember bis Ende April

Meine Gedanken schweifen zum Morgen des Vortags zurück. Als uns Jacky eröffnete, dass wir den Höhepunkt der Pfarrer-Müller-Skitour – die Abfahrt in die berühmt-berüchtigte, 40 Grad steile Klemm – heute wegen Lawinengefahr nicht machen können. Inzwischen ist mir klar - und es liegt nicht am Gamsblut – dass ich im Frühjahr wiederkommen werde. Denn wegen der besonderen Schneeverhältnisse hier ist die Freeride-Tour oft bis in den April hinein möglich. „Das glaubt uns meist niemand, dass hier oben noch bester Schnee zum Skifahren liegt, wenn unten im Tal schon alles grün ist“, so Jacky. Tatsächlich läuft die Skisaison in Warth von Dezember bis Ende April.  

Top Angebote in Warth

Entdecke ähnliche Urlaubsthemen