Auf der Pool-Terrasse eines Hotels hoch über Lloret de Mar spielt eine Band heißen Rock’n’Roll, 40, 50 gefährlich aussehende Gestalten wippen dazu im Takt. Dresscode sind schwarze Lederjacke mit Nieten und bunten Aufnähern sowie verspiegelte Sonnenbrille, zu jedem Gitarren-Akkord gibt’s einen tiefen Schluck Bier. Es ist Harley Davidson-Treffen in Lloret und die Stimmung tourt schon nachmittags hoch. Wobei die Rocker bei näherem Hinsehen ganz friedlich sind, die meisten haben ihre Lesebrille dabei und einige nippen nach dem dritten Bier dann doch lieber vorsichtig am süßen Eistee.
Unten in der Bucht glitzert derweil das Mittelmeer, gerade zieht ein Glasbodenboot vorbei. Am langen Strand sind die meisten Liegen belegt, selbst jetzt in der Nebensaison. Lloret de Mar an der Costa Brava ist wieder in, auch wenn die Gäste aus unterschiedlichsten Motiven anreisen.
Ein ganz wichtiger Grund ist 1630 Meter lang, im Schnitt 45 Meter breit und von einer schönen Promenade gesäumt. An der Platja de Lloret mit ihrem goldgelben Sand passt zur Hochsaison keine Postkarte zwischen die einzelnen Liegen – die 48.000-Einwohner-Stadt hat über 130 Hotels aller Couleur, eine Unmenge Apartment-Anlagen und ist im Sommer trotzdem oft ausgebucht, wegen schwächelnder Konkurrenz in Regionen mit politischen Unruhen und dank vieler günstiger Pauschalangebote.
In der Vor- und Nachsaison geht es am Beach luftiger zu, das gilt vor allem für die beiden kleineren Strände im Umkreis. Die rund 700 Meter lange Platja de Fenals im Südwesten und die etwas kleinere, ein paar Kilometer nordöstlich gelegene Platja Canyelles sind dann vergleichsweise ruhig. Ältere mag die Atmosphäre dort an ihre Jugendzeit erinnern, als Lloret Sehnsuchtsort war für die erste große Reise im VW Käfer oder Opel Kadett. Strandbars und -Restaurants gibt es hier wie dort, und die Blaue Flagge zeigt, dass ihr überall in Lloret in sauberem Wasser baden könnt.
Dabei lässt sich in Lloret deutlich mehr finden als nur Spaß am Meer. Ein modernes Casino und Theater zum Beispiel, das Meeres-Museum, die Eglésia de Sant Romà im farbenfrohen Stil des Modernisme oder das erst in den 1940er-Jahren erbaute Castell d’en Platja, das markant am Ostende des Hauptstrands liegt. Und abseits der Hotels und Shoppinggassen ist Lloret eine ganz normale spanische Kleinstadt mit überraschend schönen kleinen Plätzen und Winkeln, voller Leben und Lärm. Wobei letzteres bei Nacht noch einmal rapide an Fahrt aufnimmt.
Dann nämlich erwachen die Disco Tropic, das Rockefellers, der Club Alcatraz und all die anderen zum Leben. Zigtausende Teenager, oft mit Billigbussen zu Billigquartieren angereist und noch rot verbrannt von einem ausgiebigen Tag unter der Sonne, feiern ihren Traumurlaub in den weit mehr als 100 Discos und Bars, die die katalanische Kleinstadt zu einem Hotspot in Europas Partywelt machen. Im Neonglitzer feiern sie ab bis weit in den Morgen, während auf der Poolterrasse des alten Grand Hotels längst Ruhe eingekehrt ist – die Oldie-Rocker vom Harley-Club haben die Lesebrille abgesetzt und schnarchen schon genüsslich vor sich hin.
Die 48.000-Einwohner-Stadt befindet sich in der Provinz Girona in Katalonien an der Costa Brava. Bis zum Flughafen von Girona sind es rund 40 km, Barcelona liegt südlich, etwa 75 km entfernt.