Es ist spät geworden in Bordeaux, doch in den Gassen der malerischen Altstadt geht es vielerorts noch lebendig zu. An meterlangen Tischen treffen sich die Bordelaiser, um die wichtigste Mahlzeit des Tages mit einer Flasche gutem Rotwein zu feiern. Gerne sitzt man hier bis tief in die Nacht, zumal morgen Samstag ist.
Überraschend ist es nicht, dass Bordeaux im letzten Jahr bereits zum dritten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt Frankreichs gewählt wurde. 38 Prozent aller berufstätigen Franzosen würden gern in der Kapitale der Provinz Aquitanien unweit der französischen Atlantikküste leben. Paris ist vielen zu teuer, zu stressig. Galt Bordeaux einst als „schlafende Schönheit“, ist die Stadt heute heiß begehrt.
Es wurde viel für das heutige Stadtbild getan. Wo früher brachliegende Kaianlagen die Garonne säumten, findet man heute eine gut zehn Kilometer lange Promenade zum Spazieren, Radeln oder Skaten. Noch bekannter ist das riesige, flache Wasserbecken Miroir d’Eau an der Place de Bourse im Zentrum – in "Europas schönster Pfütze" erfrischen sich tagsüber Groß und Klein, abends hält eine Schar von Fotografen die Spiegelbilder der Fassaden ringsum für die Ewigkeit fest.
Das saubere Erscheinungsbild der City ist vor allem der radikalen Anti-Auto-Politik von Bürgermeister Alain Juppé zu verdanken. Im Zentrum von Bordeaux wurde den Autos durch eine Unzahl von Pollern der Weg versperrt, die Stadt setzt heute aufs Fahrrad und die Tram. Wer es den Einheimischen gleichtun will, borgt sich für kleines Geld eines der Leihräder aus und erkundet so die schönen Ecken der Winzer-Metropole.
Saint-Pierre zum Beispiel ist so ein Viertel, das jedes Mal aufs Neue verblüfft, wenn man in die nächste Gasse einbiegt. Nirgendwo sonst ist Bordeaux so authentisch, die Restaurantdichte so hoch und das Licht so romantisch.
Sehenswert ist auch das Quartier Les Chartrons, das durch einen besonders beschaulichen Charme verzückt. Rund um die Rue de Notre Dame haben sich Antiquitätenhändler und Weinbars niedergelassen, auch der Jardin Public mit seinen hundertjährigen Bäumen ist nicht weit. Billigmode-Ketten oder Fast-Food-Restaurants sucht man im „Dorf in der Stadt“ vergebens.
Wenige Fahrminuten weiter nördlich dann der große Kontrast: Die Cité du Vin ist das neue Prachtexemplar futuristischer Architektur in Bordeaux. Mit seinem 55 Meter hohen Turm prägt das Weinmuseum die Skyline der Stadt. Liebhaber des Rebensafts können in den modern gestalteten Ausstellungsräumen viel über Weinkultur erfahren, sei es zur Geschichte, Geografie oder den Anbautechniken. Der Standort ist perfekt: Etwa 3000 Weingüter produzieren in der Umgebung, die Anbauflächen sind insgesamt über 120.000 Hektar groß.
Langsam geht die Sonne unter. Die gläserne Fassade der Cité strahlt in warmem Orange, während die Besucher am Ende ihrer Führung im „Le belvédère“ bei einem Glas Merlot den 360°-Blick über Bordeaux genießen.
Probiert unbedingt einmal die leckeren Canelés de Bordeaux, die außen karamellisiert und innen herrlich saftig sind. Am besten schmecken die originalen Küchlein mit langer Tradition in den Konditoreien von Baillardran.
Bordeaux liegt im Südwesten Frankreichs im Département Gironde an der Garonne, die sich in einem weiten Bogen durch die 250.000-Einwohner-Stadt zieht. Wegen des großen kulturellen Angebots gilt sie als "heimliche Hauptstadt" Frankreichs. Von Deutschland aus gelangt ihr in etwas mehr als zwei Stunden mit dem Flugzeug hierher.